Vor Gedanken um die eindringlichen Begegnungen, die ich in Trier hatte, hätte ich doch fast vergessen was über die Stadt an sich zu schreiben. Aber nur fast. Trier ist nämlich nicht nur die älteste, sondern auch eine wirklich schöne Stadt. Jetzt also.
Wie ich nach Trier kam
Das war so ungefähr die erste Frage, die mir jede*r Trierer*in gestellt hat, als ich von meinem Projekt erzählte. Ja klar, Hamburg und Leipzig – cool, aber Trier?! Was mich dabei so überrascht hat, war aber nicht etwa, dass die Einwohner*innen eine gewisse Unbekanntheit Triers annahmen. Sondern vielmehr, dass die Leute so sprachen, wie ich dachte, dass nur über meine Heimatstadt Frankfurt (Oder) gesprochen wird: viel zu klein, alle kennen sich, man selbst kennt alles und das schönste an der Stadt ist das Drumherum. Einziger Unterschied: in Trier habe ich nie jemanden über die Kleinstadtmentalität oder eine relativ präsente rechte Szene klagen gehört. Aber zurück zur Ausgangsfrage.
Hamburg im September war fest, Leipzig im November war fest. Oktober sollte auch schön werden. Tina, die in dem Thema wohl zugegebenermaßen nicht ganz unbefangen ist, schlug mir dann vor, in eine Weingegend zu ziehen. Ich mag doch Berge und Hügel so gern, Weingegenden sind immer sonnig und, na ja, da war ich eigentlich schon überzeugt. »Jut, dann da hin« und ich malte mir einen goldenen Oktober aus. Konnte ja niemand ahnen, dass ich die Sonne nur zwei Mal zu Gesicht bekam. Ich altes Kellerkind.
Trier auf den ersten Blick
Meine ersten Spaziergänge waren geprägt von: Natur, Natur, Mosel und Natur. Ich fand’s so schön, mal wieder ohne Straßenlärm irgendwo langzulaufen. Mal wieder zu mindestens 90% Blätter, Laub und Gräser im Blickfeld zu haben. Mal wieder keine Menschen sehen zu müssen. Da ist es dann auch eigentlich egal, dass es regnet. Es gibt schöne Brücken, einen Moselradweg, tolle Joggingstrecken und, wie gesagt, allerlei Hügel und Weinberge zum Draufklettern.
Trier wurde vor ca. 2000 Jahren als Augusta Treverorum von den Römern gegründet. Der Name beinhaltet einerseits Kaiser Augustus (erster Römischer Kaiser) und andererseits Treverer, der keltische Stamm, der sich hier niedergelassen hatte. Aus dieser Zeit gibt es auch noch ordentlich viel zu sehen: Amphitheater, Thermen, Stadttor. Eigentlich krass, dass das alles so lange hält, oder? Wenn man sich das mal auf der Zunge zergehen lässt? In Worten: zweitausend Jahre.
Heute ist Trier die viertgrößte Stadt in Rheinland-Pfalz. Wichtig ist hier der Wein. Man lästert wenig über andere Städte, so richtige Rivalitäten gibt es nicht. Manchmal kleine Seitenhiebe gegen das Saarland (die Leute dort seien schläfrig und äßen nur Lyoner). Luxemburg dagegen wird schon eher mal Zielscheibe: die seien alles so »je travaille en finance«. Aber schön sei’s dort trotzdem.
Eine Dönerbox zum Mitnehmen
Am zweiten Abend dann holte ich mir auf dem Heimweg eine schöne Dönerbox. Dachte: geil, den ganzen Tag nix gegessen. Und dachte: geil, Döner in Kleinstädten ist nie »gut«. Döner in Kleinstädten hat immer etwas… nennen wir es Besonderes. Im Laden mit dem klangvollen Namen GAP Bistro, der viel zu hell und mit viel zu vielen Menschen in Trainingshosen und Boxerschnitt gefüllt war, gab es die Dönerbox mit Pommes für ein Schnäppchen von acht Euro. Noch nie hat mich eine Dönerbox acht fucking Euro gekostet. Aber der Preis sollte sich lohnen.
Der Dönermensch packt mit der schlechtesten Laune seit dem Morgen, an dem Trump zum Präsidenten gewählt wurde, ein Bett aus Eisbergsalat und Rotkohl in den großen Teil der Styroporschale und zieht ein Laken aus frischen Zwiebeln drüber. Ich fühle mich wie zu Hause, so weit so gut. Um sie nicht ganz alle zu machen lässt er von den noch vorhandenen drei Tomaten- und zwei Gurkenstücken noch ungefähr jeweils ein halbes in der Auslage, den Rest drappiert er an den Rand der Box. Auftritt Pommes: ohne Salz direkt aus der Fritteuse in den kleinen Teil. Dann erst kommt Salz rüber, und zwar kein Pommessalz, nein, normales Salz. Geil, genau so wie ich’s erwartet habe. Falafel drauf. »Kräuter, Knoblauch, bisschen scharf« machen diese sechs innen trockenen, außen fettigen Bällchen nicht wirklich besser, im Gegenteil. Ich bin trotzdem zufrieden, als ich die Reste meiner Dönerbox in den Kühlschrank stelle. So eine Erfahrung hat ja auch immer was Schönes. Dieses fast vergessene Gefühl von Sehnsucht nach ‘nem juten Berliner zweefuffzich Falafel vom NUR-Imbiss auf der Hermannstraße, da ist es wieder.
Trier auf den zweiten Blick
Trier ist immer noch sehr, sehr schön. Es ist gut erhalten und wenn man auch nur ein kleines Faible für Geschichte hat (oder generell nicht ganz blind auf dem historischen Auge ist) kann man hier schon ganz schön Spaß haben. Durch seine kleine, feine Studentenschaft gibt es auch sowas wie eine Ökoszene in Trier. Das, finde ich, macht eine Stadt auch nochmal sehr schöner. Zwar habe ich es genau einmal geschafft, in den Ökotreff mit angrenzendem Unverpackt-Laden Café Liebling zu gehen. Dafür habe ich dort aber eine extrem leckere Kürbis-Kartoffel-Suppe gegessen und einen mjom-mjom-Cappucino getrunken. Von anderen Café-Erfahrungen kann ich leider nicht berichten, da ich wirklich. Die ganze Zeit. Zu Hause. Gearbeitet hab.
Weiterhin glänzt Trier mit einem Indie-Kino, dem broadway filmtheater (in dem ich den wunderbaren und sehr empfehlenswerten Film Oeconomia gesehen hab) und einem LGBTQ+-Verein, dem SCHMIT-Z e.V., der gleichzeitig Bar und Kunst- und Kulturstätte ist. Es gibt einige Bars, von denen ich das Simplicissimus (sophisticated: »Simpel«) besucht habe und dann gar nichts Anderes ausprobieren wollte. Zugegebenermaßen wäre das aufgrund meiner Simpel-treuen Mitstreiter*innen wohl auch gar nicht möglich gewesen. Zum Essen geht man ist Astarix (man merkt: dieses Römer-Ding ist wirklich ein Thema), da findet jede*r was (und Pizza kann man selbst belegen). Nach dem Essen geht’s rüber ins Miss Marple’s auf ein Maracuja-Viez und einen Pfeffi und sonntags wird ebenfalls in der gleichen Straße (nämlich der Karl-Marx-Straße, aber dazu gleich) bei der Konditorei Raab Gebäck und Kuchen geholt. Der kulinarische 100-Meter-Radius.
Skat macht besonders nach dem dritten Bier im Simpel Spaß Simpel – yeah!
Mein Lieblingsort
Na ja oder wenigstens mein drittliebster Ort, gleich nach der Saarstraße und zu Hause war, ja, auch der Palastgarten, in dessen Teich man so toll baden kann. Außerdem: der ein oder andere Aussichtspunkt, von denen es in Trier ganz schön viele gibt. Sein Feierabendbier kann man hier ungefähr trinken, auf dem Weg von der Innenstadt Richtung Mutsuko Ayano Gedenkstein (für eine japanische Studentin, die während ihres Studienaufenthaltes hier Opfer eines Gewaltverbrechens wurde). Ein weiterer Ausblick bietet sich von den Weinbergen am Petrisberg. Man sollte unbedingt genug Zeit mitbringen, um dort umherzuirren. Auf der anderen, uncooleren Moselseite gibt es dann noch die Mariensäule und die Villa Weisshaus. Von letzterer erzählte mir eine liebe Oma, die ich bei einem Picknick an der Mosel getroffen habe. Also eher traf sie mich und redete begeistert auf mich ein, wie sie als Kinder immer jeden Sonntag dort hochspaziert sind. Heute wäre ihr das zu viel, aber ich könne das schaffen. Kleines süper extra: da oben kann man noch rote Felsen (in denen sogar ein Freund von Cenin und Yousif wohnt (wirklich wahr)), einen Wildpark (Eintritt frei) und die Hochschule angucken, bevor man seinen wohlverdientes Stück Kuchen in der Villa Weisshaus wegatmet.
Ein Wildparkgehege So wild
Das Karl Marx Haus
… habe ich eher so aus Pflichtgefühl, übermüdet und mit einem ganz leichten Kater 50 Minuten vor Schließung besucht. Und: mich dann unglaublich geärgert. Denn als ob ich’s nicht geahnt hätte, war’s dann eben doch nicht super langweilig und trocken, sondern richtig cool rübergebrachte, wichtige Geschichte der Kapitalismuskritik, die sich an Karl Marx’ Biografie entlang hangelt und am Ende einen wunderschönen Bogen zu deren Aktualität spannt. Welche Bedeutung hat »Das Kapital« jetzt? Wer sind die heutigen Karl Marx*innen (haters gonna hate für diese Genderung)? Und was erwartet uns nach dem Kapitalismus?
Die Besucher*innen erwartet das ein oder andere Abbild Und ‘nen Garten gibt’s auch
Letzte Worte
Abschließend war Trier wohl eine Stadt, in der ich viel Neues gelernt und noch viele alte Seiten an mir wiederentdeckt habe. Neben meiner erbärmlichen Leidenschaft für’s Rauchen war das eben auch die nicht wirklich intensive, aber eben doch vorhandene Beschäftigung mit der Kapitalismuskritik in Form von Karl Marx und »Oeconomia« – liebe Eltern, wir werden trotzdem, vielleicht, hoffentlich, ein schönes Weihnachten haben. Ich konnte meine Kneipenleidenschaft nach fast zwei Monaten Abstinenz mal wieder ausleben. Und ich habe mich hinsichtlich meiner Einstellung zum Leben und »Schaffen« endlich mal wieder an mein Jugend-Ich erinnert gefühlt: das Leben genießen in vollen Zügen, Kapitalismus scheiße finden und in Kneipen drüber reden. Toll! Ein way of life, den ich mir beibehalten will.
P.S.: meine Tante hat mir nahe gelegt, ob ich mich als wenigstens-ein-bisschen-Linguistin nicht auch mit den Dialekten auseinandersetzen will. Will ich schon. Kann ich aber leider nicht gut. Dialekte sind voll schwer. Aber für alle weiter Interessierten hat mir Lena noch diese beiden tollen Seiten nahe gelegt: Trierer Platt und 27 grandiose trierische Worte, die den Rest Deutschlands sehr verwirren.
P.P.S.: Wer Love A nicht kennt, sollte sie sich jetzt anhören. Geile Band von hier, die ich vor der Stadt kannte und die bestimmt mein Unterbewusstsein hier hergelotst haben. Und perfekt auf den Ohren, wenn man zwischen den Reben ist!
“…. das Leben genießen in vollen Zügen, Kapitalismus scheiße finden und in Kneipen drüber reden….”
Das Leben genießen > Ja zu 100 %
Amerikanischen Kapitalismus scheiße finden
> Ja zu 100 %
Allerdings Kapitalismus gibt es auch in Form der sozialen Marktwirtschaft, so wie wir sie haben. Und die finde ich …,in Ermangelung funktionierender Alternativen, ziemlich geil. Sozialer geht zwar immer… Aber zeig mir ein Land in dem es besser läuft!? 😉
In Kneipen reden…. Ist immer gut… Am besten noch wenn es ein Irish Pub mit Kilkenny ist 😀