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Kölle, du bis e Jeföhl!

Köln ist nicht schön. Köln ist weder gemütlich, noch hübsch anzusehen. Auch ist Köln nicht sonderlich toll in jeglicher Hinsicht von Innovation oder Technologie. Und um schöne Natur drumherum zu finden, muss man schon ein ganzes Stück bis in die Eifel fahren – hier geben sich nur der von Dreck überspülte Rhein und die platten, ausgelaugten Tagebauen die Klinke in die Hand. Köln von außen: kein Charmebolzen.

links: die kranhäuser. lukas podolski wohnt wohl dort.

Köln hat gerade so über eine Millionen Einwohner. Die im Rheinland (»Oh mein Gott, doch nicht Ruhrpott!«) gelegene Metropole kennt man durch Film- und Fernsehen – Jan Böhmermann hat sich hier sein Bildundtonfabrik-Universum aufgebaut – und durch, klar, den Karneval. Fucking Karneval. Was weiß man noch über Köln? Nischt. Für meine Zeit hier habe ich genau ein Ziel: möglichst schnell meine Vorurteile bestätigt wissen, um in aller Ruhe sicher gehen zu können, das Berlin damals die richtige Entscheidung war.

»du bist nicht schön und das weißt du auch«

So der Plan. Doch noch bevor ich überhaupt im Rheinland ankomme, eilt der Stadt ihr der Ruf voraus: »Köln ist ein Mythos« sagt Flo in Passau. Köln ist was? Mythos? Für was denn? Bands mit einem heiseren Frontsänger? Es sei so verdammt schade, dass gerade Lockdown ist, sagt Flo. Die Bars, die Clubs, die Wirtshäuser, der Karneval. Fucking Karneval. Ich solle in Ehrenfeld schlendern und in Nippes Döner essen. Köln auf mich wirken lassen. Ok, Flo. Weil du es bist.

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24h Köln

Ich nehme mir die Zugfahrt vor, um mich in Köln reinzudenken. Wie wird es wohl sein, aus ab-um-8-nur-noch-Bier-an-der-Tanke-aber-um-9-Ausgangssperre-Passau in eine Großstadt voller Möglichkeiten (und voll im Lockdown) zu kommen? Und was ist eigentlich diese Rheinische Frohnatur, von der immer alle reden?

Als ich ankomme, bin ich geplättet. Wirklich: eine Großstadt. Mit allem, was Großstädte so haben: Straßenbahn, Menschen verschiedener Hautfarben, bunte Lichter. Meine Mitbewohner*innen empfangen mich: sehr freundlich. Es gibt Abendbrot, das ich anständig und trotz obligatorisch verspeister 500 Kalorien pro 100 km Zugstrecke zu mir nehme. Wir trinken das Passauer Hell, das ich als Mitbringsel anbiete und reden über, wie soll es anders sein, Köln. Und Musik. Und Kölner Musik, wovon es anscheinend nicht nur viel, sondern sehr viel gibt. Zum ersten mal kriege ich spitz, dass Kölner*innen ihre Stadt anscheinend schon sehr geil finden.

Später gehe ich nochmal raus. Es ist halb 10. Ich gehe. Draußen. Bier kaufen. Und fühle mich wie auf den Straßen New York Cities, einer Stadt die niemals schläft.

Wie ein Mythos kommt mir trotzdem Köln trotzdem erstmal nicht vor. Eher wie eine Stadt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, pro Jahr Stadtgeschichte mindestens einen Song über sich veröffentlichen zu lassen. Die Karnevalslieder nicht mit eingerechnet. Aber wir wollen mal nicht so sein, denke ich. Geben wir der Stadt ‘ne Chance. Die Vorurteile bestätigen sich schon von allein.

800 Meter Köln

So, so. Trier hatte ich als die älteste Stadt Deutschlands abgespeichert. Gegründet von Römern und Geburtsstadt von Karl Marx. Dass ich an diese beiden Themen jetzt, wo ich auch geographisch wieder näher bin, doch nun wieder anknüpfe, liegt zugegebenermaßen auf der Hand. Und kam doch unerwartet.

Interplay. In meiner Reihe »how to be a touri and not look like one« heute: Audio-Walks. Das Prinzip ist bekannt, doch bringt es immer diese Assoziation von Museum und beohrenschmalzten Kopfhörern mit sich. Nun mag man es in Deutschland leicht vergessen, doch leben wir ja im 21. Jahrhundert. Audioguides kann man sich mittlerweile in den meisten größeren Städten als App auf sein Handy laden und eine ganz entspannte Stadtführung im eigenen Tempo genießen. Damit vermeidet man nicht nur die klapperigen manche-nennen-es-Kopfhörer-Gestelle, sondern ist dann eben doch noch ein bisschen mehr auf eigene Faust und vor allem ohne nervige Tourigruppe und nervige Tourigruppenleitung unterwegs.

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Für Sie getestet: die App Via Culturalis. Auf 800 Metern zwischen Dom im Norden und der Romanischen St. Maria im Kapitol lernt die Hörerin hier auf weiteren 30 Stationen kleine Geschichten und große Bekanntheiten von und über Köln kennen. Aber vor allem: die Kölner Kultur, die Menschen, das Leben.

2000 Jahre Köln

So wurde Köln auch schon von den Römern gegründet. Zwar, klar, später als Trier (aber wer kann schon gegen dieses einzig als Heerlager errichtete Örtchen südlich der Eifel ankommen), doch alte Treppen, Gänge und Wasserkanäle gibt’s trotzdem zu bewundern. Und ein riesiges Römisch-Germanischen Museum.

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Irgendwann in der Geschichte Kölns kamen dann die Überreste der Heiligen Drei Könige in die Stadt. Und um denen ein angemessenes Begräbnis zu ermöglichen, baute man halt den Dom. Über. 600. Verdammte. Jahre. Nur, um das nochmal deutlich zu machen: ich baue an einem Haus, an dem auch schon meine Eltern und meine und deren Großeltern gebaut haben und werde es selbst und auch meine und deren Kinder nicht fertig zu Gesicht bekommen. Für Knochen. Von drei Hanseln mit komischen Namen, von denen mir jemand erzählt, sie hätten Jesus gesehen. Irre. Beeindruckend. Ich laufe so gut wie jeden meiner 27 Köln-Tage an der, offiziell, Hohen Domkirche Sankt Petrus vorbei und denke: wat ‘n Teil.

future-wdr

4 Mülltonnen am Dom

Vor dem Dom gibt’s einen großen Platz, der wohl zu einem der meistbesuchten Plätze Europas zählt. Egal. Vor dem Platz gibt’s nämlich Treppen. Was sich unterhalb dieser Treppen zu Schau stellt, erklärt die nette Stimme aus der Audioguide-App als »das Selbstverständnis Kölns«. Hier sieht man nämlich eine Nachbildung der Domspitze, übrig geblieben von irgendeiner Weltausstellung in Japan, aufgestellt nach dem Motto »wegschmeißen woll’n wa’s ooch nich«. Daneben: ein nicht sehr buntes Mosaik in einer leicht zu übersehenden Kuhle im Boden, zu dienen als Vogeltränke – der Taubenbrunnen. Und das, so die Stimme, sei Köln. Dieses platte Bauwerk der Kreuzblumenkopie auszuhalten neben diesem unscheinbaren, nicht sehr farbenfrohen Brunnen von Materé. In einem Umfeld von Betonpollern und Mülltonnen. Das sei, wie beim 1. FC, der, nachdem er sich nach seinem Abstieg wieder mühselig in die erste Liga hochgekämpft hat, die Gäste immer »in der schönsten Stadt der Welt« begrüßt. Obwohl jeder weiß, dass das nicht stimmt. Köln: spitze sein können, aber in der zweiten Klasse.

kioskkultur

Und Marx? Der beschloss aus seinem Brüsseler Exil heraus, dem Projekt »Sozialismus« nochmal Nachdruck zu verleihen. Das »Kommunistische Manifest« war zusammen mit Friedrich Engels, der in London saß, gerade fertig. Und nach den Märzereignissen von 1848 trafen sich die beiden Autoren wohl ausgerechnet in Köln, um hier die »Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie« zu gründen. Nicht Berlin? Nö. Köln, so schrieb Engels, wäre als Zentrum der Rheinprovinz, der in jeder Beziehung der fortgeschrittenste Teil Deutschlands gewesen. »Außerdem herrscht in Berlin das elende Preußische Landrecht – am Rhein hingegen in der Tradition des Französischen Rechts unbedingte Pressefreiheit«. Köln 1: Berlin 0.

es ist nicht alles schlecht: eigelstein

Tommi

Aber kommen wir nochmal auf Böhmermann zurück. In seinem Podcast mit Olli Schulz er nämlich letztens davon, wie er nicht sehr begeistert war, als er hierher kam. Und wie ihm die Kölner dann immer sagten »dat musse Zeit jeben, Kölle, du dat is e Jeföhl«. Und wie er es nicht geglaubt hat. Kölner lieben ihre Stadt. »Hier hast du alles, was du brauchst!«, sagen die Leute. Sind freundlich, witzig, nett und zuvorkommend. Halten auf der Landstraße an, wenn man rüber will. Kennen ihre Kioske und ihre Büdchen besser als ich meine Spätis. Und stehen zu ihrem Karneval. In der nicht wirklich schönsten Stadt der Welt. Und jetzt, so Böhmermann, jetzt bestätige sich das. Und auch mein Eindruck: bestätigt.

Nur wenn mich jetzt noch eine Person fragt, ob ich »Tommi« kenne, muss ich irgendetwas kaputt machen. Nein, liebe Kölnerinnen, die schönste Liebeserklärung an eine Stadt ist nicht Tommi. Die schönste Liebeserklärung an eine Stadt heißt »Hey du« und stammt von den Beatsteaks. Ihr könnt vielleicht viel Musik. Aber gute Musik, die können wir. Und den Mann mit der heiseren Stimme, den dürft ihr wiederhaben. »Damit die Kinder, die er kriejen könn’ alle in Kölle jebore sin.«

bold köln, bold.

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