Wir haben 2020, was ich gern »zwanzig zwanzig« ausspreche und mir dabei immer ein bisschen alt vorkomme. Es ist Pandemie und ich habe nichts besseres vor, als umzuziehen.
Der Plan war, surprise, anders. Eigentlich wollte ich ein ganzes Jahr in Hamburg bleiben, mindestens. Davor wollte ich ein Jahr in Barcelona sein, davor im Herbst den Master anfangen und davor wollte ich in Kiew arbeiten. Aber so ist das halt mit Plänen, »wär ja sonst auch langweilig«, würde meine Familie sagen.
Die einzigen beiden Punkte, die ich mir für dieses Jahr vorgenommen hatte, waren knackig, aber nach SMART-Methode auf jeden Fall messbar. Zugegebenermaßen habe ich besonders auf das »R«, das für »realistisch« steht, besonderen Wert gelegt. Ziel #1: Bachelor fertig machen. Was man sich eben auch einigermaßen gut vornehmen kann, wenn die Bachelorarbeit schon so gut wie geschrieben und alle Module abgeschlossen sind. Ziel #2: Berlin verlassen. Und God-save-the-Queen, dass ich nicht reingeschrieben hab‘, in welche Richtung.
Ist es also Hamburg geworden. Google hat hier einen Sitz. Als ich die Bewerbung abgeschickt habe, wusste ich nicht, dass es für Google ist. Denn eigentlich bin ich bei Adecco angestellt. Und Google kauft dann eben Teams von Adecco. Vendor nennt sich das und hat für Google den Vorteil, dass die sich nicht mit dem ganzen nervigen Personal rumschlagen müssen. Bisher bin ich begeistert, das Team ist awesome, die Arbeit anspruchsvoll und die Hardware schnell. Das beste ist allerdings, dass ich von überall arbeiten kann. Nur in Deutschland soll ich wohl bleiben, das habe irgendwelche Versicherungsgründe.
Zum Anfang hieß es noch, dass wir wohl alle zwei Wochen mal ins Büro könnten. Und weil das da so aussieht, meine tolle Freundin Anne da hingezogen ist und ich ja noch irgendwie einen guten Vorsatz zu erfüllen hatte, nahm ich Hamburg als Einladung.
Und ich will nicht sagen, dass es mich nicht gecatcht hat oder so. Aber eigentlich doch. Oder vielleicht bin ich auch einfach noch nicht bereit, mich jetzt schon wieder irgendwo niederzulassen. »Mir etwas aufzubauen«, wie man zu sagen pflegt. Nee, komm‘. Lass das mal noch ausnutzen mit diesem remote. Wenn wir jetzt schonmal so weit sind.
Meine von Freund*innen immer stets belächelte Bucket-Liste von Städten in denen ich nochmal leben will ist sowieso relativ lang und zufälligerweise stehen da neben New York und Montréal auch ein paar deutsche Städte und Regionen drauf: Düsseldorf, Tübingen, Nordsee. Mal schauen, was draus wird.
Für den Moment nutze ich Hamburg gleichzeitig als Vorbereitungsphase und Startpunkt. Im September geht’s dann also voll um die Stadt. Danach steht dann im Oktober Trier und im November Leipzig auf dem Plan, wo meine andere tolle Freundin wohnt. Der Dezember ist noch ungewiss. Ich denke, hier wird deutlich, wie ehrgeizig ich mich an dieser Bucket-Liste abarbeite.
Das Thema Corona habe ich übrigens nicht vergessen. Natürlich gehört zu meinem Grundgepäck eine Ausstattung von drei Masken. Umziehen ist in allen Bundesländern bisher noch erlaubt, sollte sich das ändern, ziehe ich auch da natürlich mit. Meine sozialen Kontakte beschränke ich auf ein Minimum, was dann pro Monat meine null bis x Mitbewohner sein werden. Das ginge weniger. Vor mir rechtfertigen tue ich es hingegen mit »in Berlin würde ich mehr Menschen viel näher kommen«, was nichtmal gelogen ist. Ich bleibe vorsichtig, und vor allen viel mit meinem Laptop allein.
Na dann. Auf zwanzig zwanzig. Auf die Bucket-Liste. Und auf gute Vorsätze.